2.Advent - 10.12.2006 – Jesaja 35,3-10 - Oberursel – Armin Wenz
Liebe Gemeinde!
Wir wollen daher zunächst betrachten, wie Gott den Weg für die Verlorenen bahnt, um dann über deren wunderbare Heimfahrt zu staunen. Zuerst also geht es um Gottes Kommen in eine gebundene Welt, dann geht es um der Erlösten Wiederkommen zu ihrem Gott.
1. Wenden wir uns zunächst dem Kommen Gottes zu, so läßt uns Jesaja entdecken, daß dieses Kommen Gottes zwei Seiten hat, die unlösbar miteinander verbunden sind: Gott kommt zur Rache, und er kommt zur Hilfe. Warum das so ist? Liebe Gemeinde! Das ist so, weil Gottes Hilfe Rettung und Befreiung meint.
Rettung und Befreiung kann es aber nur geben, wenn die Mächte, die Menschen gefangen halten, besiegt werden. Es gibt einen Grundzug, der sich durch die ganze Heilige Schrift zieht, der vielen Christen unangenehm ist. Da ist so oft von Feindschaft, von Kampf, von Waffenrüstung die Rede. Und wir wünschen uns von Gott doch die Idylle, den Frieden, die Geborgenheit.
Doch Frieden und Geborgenheit, auch der Frieden und die Geborgenheit bei Gott kosten etwas. Das Volk Israel in der babylonischen Gefangenschaft wird erst dann wieder heimkehren können ins gelobte Land, wenn die unterdrückende Weltmacht von einer anderen Macht besiegt sein wird, so sollte es Jesaja zu seiner Zeit ankündigen.
Eine Schafherde kann nur dann im Frieden leben, wenn der Hirte dem Wolf wehrt. Der Paradiesgarten kann nur gedeihen, wenn es Schutz vor den Wüstenwinden gibt, die alles auszutrocknen drohen. Menschen können ihre Heimat bei Gott nur dann finden, wenn den vielen falschen Propheten und Ideologen das Handwerk gelegt wird.
Seit der ersten Verheißung auf den Messias zieht sich das Motiv der Feindschaft durch die Bibel und durch die Geschichte. Gott sprach zur Schlange: Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. (1. Mose 3,15) Und im wichtigsten messianischen Psalm des Alten Testaments, der so oft wie keine andere Stelle sonst im Neuen Testament zitiert und auf Christus bezogen wird, heißt es: Der Herr sprach zu meinem Herrn: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße mache.“ Der Herr wird das Zepter deiner Macht ausstrecken aus Zion. Herrsche mitten unter deinen Feinden! (Ps 110)
Wenn das so ist, dann müssen wir fragen: Wer sind denn die Feinde Gottes, die Feinde des Messias, des Heilandes Jesus Christus? Es gibt nicht wenige Stellen vor allem im Alten Testament, an denen diese Feinde Menschen zu sein scheinen. Und darum, daß Gott die ihm feindlichen Menschen einmal richten wird, geht es ja bei Jesu Verkündigung des Gerichts.
Es gibt Menschen, die sich mit Gottes Feinden solidarisch erklären, die selber als Feinde Gottes leben wollen, die sich um ihn und sein Wort nicht scheren. Ja, die Heilige Schrift lehrt uns, daß die Gefangenschaft, in der die Menschheit lebt, so beschaffen ist, daß diese Feindschaft alle Menschen trifft. Wir kennen das ja aus Diktaturen, daß sie immer darauf angelegt sind, möglichst alle Menschen zu Mitwissern, Mitläufern, Mittätern zu machen. Genau das aber tut der Teufel, der Feind Gottes, mit der Menschheit. Der Unterschied zwischen ihm und den Menschen, der Unterschied zwischen dem Unterdrücker und den Unterdrückten, dem Verführer und den Verführten, soll nicht mehr erkennbar sein. Denn der Teufel will nicht, daß Gott einen Unterschied macht zwischen ihm und uns.
Wenn er schon der Rache Gottes verfallen wird, sollen möglichst viele Menschen mit ins Verderben gezogen werden. Und weil der Teufel zwischen sich und den Menschen keinen Unterschied machen will, darum hat er in der Tat dort schon gewonnen, wo seine Existenz geleugnet wird. Denn wenn es keine Gefangenschaft, keine Unterdrückung, kein Verderben gibt, wozu sollte dann ein Befreier, ein Heiland nötig sein?
Der Teufel versteckt sich und verdeckt sich, damit sich die Menschheit um so sicherer wiegt. Doch als Christus kommt, der Verheißene, der ihm den Kopf zertreten soll, da kommt er aus seiner Deckung heraus. Die ganze Sendung Jesu ist eine einziger Kampf, ja ein einziger Siegeszug gegen den altbösen Feind, von der Versuchung in der Wüste, bis hin in die Nacht des Verrats und den Tag der Kreuzigung.
Und auf dem Weg dahin, da zeigt Christus in Wort und Tat, daß Gott selbst einen Unterschied macht zwischen uns und dem Teufel, den Verführten und dem Verführer. Das merken wir daran, daß die Rache am Teufel zugleich Hilfe für die Menschen ist.
Denn Jesus tut in seiner Sendung nichts anderes, als in Wort und Tat den Teufel und seine Werke auszutreiben aus Menschen, die er gefangen hält. Das geschieht besonders drastisch in den Dämonenaustreibungen. Das geschieht aber auch, wo Jesus Blinde, Lahme, Taube, Stumme und Aussätzige heilt. Denn überall geht es darum, daß Menschen, die vom Gottesdienst ausgeschlossen waren, die jenseits von Eden leben mußten, daß sie eingelassen werden in die Gemeinschaft mit Gott.
Und diejenigen, die das verhindern wollen, allen voran die Pharisäer, bezeichnet Jesus darum als Feinde Gottes und der Menschen. Sie unterstellen ihm ja, er würde die Dämonen austreiben, weil er selbst mit dem Teufel im Bunde stünde. Das ist die letzte Verzweiflungstat des Teufels, Christus und Gott selbst zum Feind der Menschen zu machen.
Doch Christus läßt sich nicht davon abhalten, sein Befreiungswerk fortzusetzen. Er bringt, was allein Gott bringen kann: Vergebung der Sünden und heiles Leben, Frieden mit Gott, Zuversicht im letzten Gericht. Er haßt wie sein Vater die Sünde als die den Menschen versklavende Macht. Aber er liebt den Sünder.
In seinem Tod und seiner Auferstehung ist die Niederlage des Teufels, der Sünde und des Todes besiegelt. Eine wundersame Rache Gottes ist dies. Gott gibt seinen Sohn in den Tod dahin. Doch der Teufel hat sich hier übernommen. Nur scheinbar trägt er den Sieg davon. Denn gegen die Liebe des himmlischen Vaters zu seinem Sohn und seiner Menschheit und gegen dessen Allmacht, kommt der Teufel nicht an. Darum läßt Christus seit seiner Auferstehung diesen wirksamen, den Tod bezwingenden Sieg auf der ganzen Welt ansagen und austeilen durch sein heiliges Evangelium, durch Taufe, Beichte und Abendmahl.
Es hat daher seinen guten Sinn, wenn die lutherische Kirche mit der alten Kirche daran festhält, daß vor der Taufhandlung ein Exorzismus gesprochen wird, daß also Jesu Worte, durch die er den Teufel verjagt, gesprochen und gehandelt werden. Es hat einen guten Sinn, daß wir vor dem Empfang des Allerheiligsten im Abendmahl auch immer wieder die Vergebung unter Handauflegung suchen und empfangen.
Christus zum Heil empfangen können wir nur, wenn wir dem Teufel und seinen Werken entsagen, wenn wir bekennen, daß wir nicht mehr unserm Eigensinn, sondern allein dem Herrn Christus dienen wollen. Er will ja auch uns befreien, aus Blindheit, Zweifel und Verirrung des Herzens und Gewissens. Er will uns nicht mit unserer Sünde strafen, sondern uns davon lösen, davon befreien und an ihrer Stelle unser Leben mit Segen füllen. In ihm kommt uns Gott so weit entgegen, daß der Weg für uns zu Gott ein ganz leichter und ebener wird. Und so kommen wir 2. zur Betrachtung des Wiederkommens der Erlösten auf dem Weg, den Gott in Christus gebahnt hat.
Man kann es vielleicht so sagen: Die Hauptstraße zu Gott ist seit dem Ostersieg Jesu gebahnt und steht aller Welt offen. Was jetzt noch passiert, ist, daß Christus durch seinen Geist und seine Kirche die Nebenstraßen zu allen Völkern bahnt. Der Wegebau, von dem schon Jesaja spricht, vollzieht sich durchaus über einen längeren Zeitraum hinweg.
Das Heil Gottes ist wie ein verborgenes unterirdisches Netz, das über die ganze Welt ausgebreitet ist, und nun hier und da an die Oberfläche tritt, wie Wasser in der Wüste. So wachsen mitten in einer Welt an vielen Orten Oasen. Und wenn wir unsere Lebenszeit als Wüstenwanderung sehen, dann stellt Gott auch uns auf diesem Weg Oasen zur Verfügung.
Sonntag für Sonntag tritt das Lebenswasser an die Oberfläche, wird das Lebenswort verkündet, wird das Lebensbrot ausgeteilt. Wir dürfen schöpfen Gnade um Gnade. Und weil auch unsere Lebenstage oft einer Wüstenwanderung gleichen, steht uns das Lebenswort in geschriebener Form in der Bibel und in Andachten auch für zuhause zur Verfügung.
Wir brauchen diese Oasen unseres Gottes, denn im Leben aus der Heiligen Schrift geht auch an uns das Wort Jesajas in Erfüllung, daß kein Unreiner und kein Tor uns mehr verwirrt und verführt, auch, daß wir selber niemanden verführen, sondern zur Wahrheit leiten, weil uns das klare Licht des Wortes Gottes leuchtet und den Weg zur ewigen Heimat zeigt.
So können wir selber in unserer Worten und Werken hier und da für Menschen, die unseren Lebensweg kreuzen, zur Oase werden; wir können sie am Trost des Evangeliums und an unserer Freude über unsere Rettung teilhaben lassen, gerade dann, wenn wir in Freud und Leid nicht mehr die Wege der Sünde, die Wege ohne Gott und von Gott weg mitgehen. So werden auch wir Lichter des Advents, die verlorene Menschen zum Heiland weisen, die müde Hände und wankende Knie stärken und verzagte Herzen trösten.
Darum gibt ja Christus dieser Welt noch Zeit und seiner Kirche einen Auftrag, nämlich immer wieder aus der Oase hinaus in die Wüste zu gehen, um die Verdurstenden hereinzuholen. Wo Menschen entdecken, daß unsere Welt allzuoft einer Wüste gleicht, so daß sie ziellos im Kreise gehen, wo Menschen nach Hilfe und Entlastung fragen, da ist es ein Segen, wenn sie jemandem begegnen, der den Weg zu Gottes Oasen kennt.
So bekommt unser Leben Ziel und Inhalt, Segen und Gnade. Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen. - Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.
Die Straße ist gebaut. Gott hat es sich viel Aufwand und Mühe kosten lassen, hat seinen eigenen Sohn schmerzvoll in den Tod gegeben, um uns aus allem Verderben zu befreien. Kein Hindernis gibt es mehr auf der Straße, die Gott in Christus gebahnt hat. Die Adventszeit erinnert ähnlich wie die Passionszeit an den unendlich großen Aufwand, den es unseren Gott gekostet hat, uns den Weg zu seinem Heil in Christus zu bahnen.
Gottes Kommen in eine gebundene Welt und die Wallfahrt der Völker zum Zion ist aber längst im Gange, und wir sind dabei, wie der Hebräerbrief zu seiner Zeit an die angefochtene Christenheit schreibt, deren Hände, Knie und Herzen er stärkt mit den Worten: Ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu den viel tausend Engeln, und zu der Versammlung und Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind. (Hebr 12,22f) Amen.
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